Sinnbildliches für die aktuelle Wiler Verfassung ereignete sich in der 53. Minute in der Lidl Arena, als sich Kastrijot Ndau den Ball für den fälligen Freistoss zurechtlegte. War der 23-jährige Aargauer die vergangenen beiden Saisons der Pfosten- und Lattenkönig der Liga, scheint plötzlich alles anders. Gefühlvoll lupfte er das Leder über die Mauer, zum erstmaligen Wiler Führungstreffer in der Partie. Wenn’s läuft, dann läufts!
Einmal mehr wurde Iacopetta zur Rochade in der Defensive gezwungen. Rückkehrer Montolio war zurück in der Innenverteidigung, Wallner ersetzte aussen den gesperrten Dickenmann. Ansonsten spielte die bekannte Stammelf. Eine Randnotiz: Neun der elf Spieler der aktuellen Stammelf gehörten vergangene Saison schon zum Wiler Kader. Der Kontinuitätsgedanke der Führungsriege scheint sich allmählich auszubezahlen.
Die Mannschaft der AC Bellinzona war in der ersten Halbzeit ein ebenbürtiger Gegner. Mit vielen kleineren Diskussionen mit der Unparteiischen Esther Staubli, die das Geschehen jederzeit im Griff hatte, machten sich die Tessiner das Leben selbst schwer. Die Wiler liessen sich nach einigen ermahnenden Worten von Captain Muntwiler in der Fortdauer des Spiels davon nicht mehr beeindrucken.
Der 0:1 Führungstreffer durch Pollero war vor allem der Tatsache geschuldet, dass Tosetti zuvor viel zu frei flanken konnte. Heule hatte anschliessend im Kopfballduell das Nachsehen. Zwölf Minuten später führte eine Freistoss-Variante zum Ausgleich. Wallners Ball fand im Gewühl den Kopf von Munti, der weiter zu Zali spielte. Der Waadtländer traf mit seinem ersten Treffer in schwarz-weiss zum Ausgleich. Mit diesem Unentschieden ging es in die Pause.
Egal was das Trainerteam den Wilern in der Halbzeit sagte: Die Worte hatten es in sich. Es folgte eine der stärksten und entschlossensten Halbzeiten, die der Wiler Anhang in den letzten Jahren sehen durfte. Praktisch jeder Angriff wurde gefährlich. Auf der anderen Seite hatte Keller keine nennenswerten Paraden mehr zu meistern. Die Abschlüsse der Tessiner landeten jeweils neben dem Gehäuse. Zuerst traf Ndau zum Ausgleich, dann erzielte Silvio nach wunderschöner Vorarbeit durch Lukembila das 3:1 – damit fehlen Silvio noch genau vier Tore, um alleiniger Spitzenreiter der ewigen Torschützenliste der Challenge League zu werden. Dem 4:1 in der 89. Minute ging ein grobes Foulspiel von Padula an Muci voraus. Muci konnte den Ball gerade noch zu Staubli rüber spitzeln, der mit einem Traumpass Munti lancierte. Der Capitano himself schob zum 4:1 ein. Die Wiler hatten nicht genug: Der überragende Ndau legte in der Nachspielzeit den Ball zurück zu Nico Maier, der zum Schlussresultat von 5:1 einnetzte.
Was für eine Partie in der Lidl Arena vor 1’230 Zuschauerinnen und Zuschauern! Der FC Wil 1900 grüsste nun sicherlich bis am 30. September von der Tabellenspitze. Dann wird man Gast in Lausanne sein, dem zweitplatzierten der Challenge League. Was für eine Affiche, was für glückliche Momente … Wer hätte das vor Saisonstart zu träumen gewagt? HOPP WIL!
Telegramm:
Wil – Bellinzona 5:1 (1:1)
Lidl Arena, Wil: 1230 Zuschauer – Sr: Staubli.
Tore: 18. Pollero 0:1, 30. Zali 1:1, 55. Ndau 2:1, 60. Silvio 3:1, 89. Muntwiler 4:1, 92. Maier 5:1.
FC Wil 1900: Keller; Wallner, Zali (79. Cueni), Montolio, Heule; Reichmuth (79. Staubli), Muntwiler, Ndau; Bahloul (86. Zumberi), Silvio (70. Muci), Lukembila (70. Maier).
AC Bellinzona: Kiassumbua; Berardi, G. Padula, Monti (60. Izmirlioglu), Mihajlovic; Manis (60. Centinaro), Tosetti (79. Doldur), Romero, Souza; Samba (56. Thomas), Pollero.
Bemerkungen: Wil ohne Dickenmann (gesperrt), Brahimi, Bega (beide verletzt), Strübi und Baralija (beide nicht im Aufgebot).
Verwarnungen: 4. Manis, 36. Monti, 54. Mihajlovic.